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Radunfall

"Sturz über den Lenker" wegen blockierender Vorderradbremse /Ueb


Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis dieser Seite:
==> A. Grundlagen
 ==> A.1. Haft- und Gleitreibung
 ==> A.2. Bremsvermögen von HR- und VR-Bremse
 ==> A.3. Sturz über den Lenker durch eine blockierende VR-Bremse.
==> B. Üben des Bremsens.
 ==> B.1. Vorübungen
 ==> B.2. Üben bei normaler Geschwindigkeit
 ==> B.3. Üben im Grenzbereich
==> nach unten

==> Inhalt "Bremsunfall"

==> home: Radtipps

Anleitung zum Üben des Bremsens

Diese Anleitung ist primär als Anregung für Radhersteller gedacht, die ihrer Verantwortung nachkommen und gute Betriebsanleitungen bieten wollen. Die Anleitung ist etwas ausführlicher geraten, da auch Insider nicht immer erkennen wollen, dass die technischen Gefahren des Rads (hier der VR-Bremse) klar geschildert werden müssen. Denn nur eine bekannte Gefahr kann -- in Grenzen -- beherrscht werden.
Im ==> tour-Magazin 04/02 S.56 gibt es eine Anleitung zum Bremsen für Rennradler.

Haftungsausschluss: Die folgenden Empfehlungen sind zwar ausgetestet; in der Praxis ist das Verhindern eines Unfalls aber von vielen individuellen Gegebenheiten abhängig. Deshalb wird keinerlei Haftung übernommen.

A.    Grundlagen

Sie haben sich ein neues Fahrrad gekauft. Neben vielen anderen Verbesserungen weist es sehr griffige Bremsen auf, die auch bei Nässe noch gute Bremswerte aufweisen. Die Bremsverzögerung ist nun so hoch, dass Sie das Bremsen üben müssen, um nicht von der starken Bremswirkung überrascht zu werden.

Bevor Sie mit dem Üben beginnen, müssen Sie drei wichtige Faktoren kennen lernen:

A.1.   Haft- und Gleitreibung

Nehmen Sie einen Rodelschlitten und stellen ihn auf eine trockene Teerstraße. Nun ziehen Sie an der Schnur. Der Schlitten lässt sich nur schwer in Bewegung setzen, da er auf dem Boden haftet. Normalerweise ziehen Sie nun mit einem Ruck an. Der Schlitten kommt ins Gleiten und rutscht dann relativ leicht dahin. Die Haftreibung ist deutlich größer als die Gleitreibung. Bei rutschenden Rädern verringern sich Bremswirkung und Stabilität zur Seite (das merken Sie am schnellsten auf Eis).

Fazit: Vermeiden Sie ein Blockieren der Räder!

A.2.   Bremsvermögen von Hinterrad (HR)- und Vorderrad (VR)-Bremse.

A.2.1. HR-Bremse.
Das Hinterrad trägt etwa 2/3 des Gewichts von Rad und Fahrer. Wenn Sie nur leicht bremsen, arbeitet die HR-Bremse recht gut. Wenn Sie aber fester bremsen, wird durch Ihren Schwung (= kinetische Energie) eine Kraft nach vorne wirken. Diese entlastet das Hinterrad und belastet das Vorderrad. Damit wirkt die HR-Bremse schwächer.

A.2.2. VR-Bremse.
Die VR-Bremse ist die wirkungsvollere Bremse, denn durch obigen Effekt wird das Vorderrad umso stärkere Bremskräfte aufnehmen können, je stärker Sie bremsen. Im Grenzfall (abhängig von Gewicht und Sitzposition) kann das Hinterrad vom Boden abheben. Dann wirkt nur noch die VR-Bremse. Da es keine Sicherheitsreserve mehr gibt, sollten Sie solche Versuche geübten Sportradfahrern überlassen. Sonst droht Ihnen ein Sturz über den Lenker (s. unten).
Hinweis: Manche älteren Radler, z.T. auch junge Frauen, bremsen zunächst mit der HR-Bremse auf Schrittgeschwindigkeit herab. Sie stehen dann auf und bringen das Rad mit der VR-Bremse zum Stehen. Das ist falsch!

Fazit: Bremsen Sie immer mit VR- und HR-Bremse gleichzeitig!
Sie sollten erst dann absteigen, wenn das Rad wirklich steht.

A.3.   Sturz über den Lenker durch eine blockierende/ überbremsende VR-Bremse.

A.3.1. Schwache Bremsen.
Bis Anfang der 1980er-Jahre gab es vorwiegend schwache VR-Bremsen (mit Ausnahme bestimmter Rennbremsen). Insbesondere bei Nässe kann man damit wegen der schlechten Bremswirkung in gefährliche Situationen geraten.

Fazit: Diese schwachen Bremsen blockieren selten.

A.3.2. "Moderne" Bremsen.
Heute werden überwiegend hoch wirksame Bremsen geliefert. Sie erbringen auch bei Nässe und mit zarten Händen eine hohe Bremskraft. Nachteil ist, dass sie gerade bei besten Radl-Bedingungen (Sonne, trockene Straße) eine so hohe Bremswirkung entfalten, dass sie - je nach Bremstype - schon beim Antippen der Bremse das Rad blockieren*)/ überbremsen**) können. Ein blockiertes Hinterrad meldet das durch ein Pfeifgeräusch und lässt Ihnen etwas Zeit, die Bremse wieder zu lockern. Ein blockiertes/ überbremstes Vorderrad dagegen lässt den Fahrer sofort nach vorn kippen. Das Hinterrad hebt sich vom Boden ab. In diesem Fall stürzen Sie ab etwa 6 bis 11 km/h bei Geradeausfahrt über den Lenker und aufs Gesicht. In Kurven oder beim seitlichen Ausweichen fallen Sie auf die Seite. Dieser Sturz kann schlimme Folgen haben; das reicht von blauen Flecken bis zum Todessturz, siehe auch http://www.radtipps.de/ru ==> 1. Unfallberichte.
Durch das Tragen eines Radhelms können Sie wenigstens Schädelverletzungen vermindern (aber nicht verhindern).

Hinweis1: Wenn das HR hoch kommt, lassen Sie die VR-Bremse sofort und ganz los! Wenn Sie schnell reagieren, fällt das HR zurück auf den Boden.
Hinweis2: Bergab beginnt der Kippvorgang bei kleinerer Bremskraft. Bremsen Sie also bergab besonders sorgfältig.

Eine weitere Gefahr ergibt sich aus folgenden physikalischen Fakten. Bei Nässe verringert sich der Reibwert zwischen Bremsbelag und Felge/ Scheibe. Das muss der Fahrer durch eine höhere Handkraft ausgleichen. Nach einigen Umdrehungen allerdings reiben die Beläge die Felge (fast) trocken und die Bremskraft erhöht sich wieder. Dann muss der Radler die Handkraft wieder verringern oder er läuft Gefahr, über den Lenker zu stürzen. Dies gilt vor allem für Felgen- und Scheibenbremsen. Als deutlich weniger aggressive - und weitgehend Wetter unabhängige - Alternative bietet sich die "RollerBrake" von Shimano an. Weitere Möglichkeiten um Ihre VR-Bremse zu entschärfen finden Sie hier im Internet unter http://www.radtipps.de/ru ==> 4. Tipps.

Fazit: "Moderne" Bremsen sind gut, aber beim "Überbremsen" droht ein Sturz über den Lenker! Sie müssen deshalb das Bremsen üben! Tragen Sie immer einen Radhelm!

*) blockieren = das Rad dreht sich nicht mehr; **) überbremsen = das Rad dreht noch, aber die Bremskraft ist schon so hoch, dass das HR abhebt.

B.    Üben des Bremsens.

Beginnen Sie sofort nach dem Kauf Ihres Rads mit dem Üben des Bremsens! Warten Sie nicht auf eine günstige Gelegenheit. Lassen Sie sich das oben Gesagte eine Warnung sein! Warnen Sie auch Freunde, die Ihr Rad nur mal ausprobieren wollen.
Suchen Sie sich zuerst einen ruhigen Platz aus. Das kann ein leerer Parkplatz, ein Wendehammer, eine Sackgasse, ein Schulhof sein. (Das hat auch den Vorteil, dass nicht jeder Nachbar zuschauen und "gute Ratschläge" geben kann).

Hinweis1: Stützen Sie sich immer(!) gut am Lenker ab. Sonst laufen Sie Gefahr, wegen der guten Bremswirkung nach vorn zu rutschen und zu stürzen!
Hinweis2: Verschieben Sie Ihr Gesäß nach hinten, so dass Sie praktisch auf den Schenkeln sitzen (dazu stehen Sie am besten ein bißchen auf). Sie verschieben damit Ihren Schwerpunkt nach hinten und können die Bremse stärker ziehen, ohne dass das HR abhebt.
Hinweis3: Bremsen Sie immer mit VR- und HR-Bremse gleichzeitig!

B.1.   Vorübungen (bei Schrittgeschwindigkeit ca. 7 km/h)

Bei dieser niedrigen Geschwindigkeit kommen Sie nach jedem Bremsversuch (fast) zum Stehen. Sie müssen also immer wieder frisch anfahren. Die niedrige Geschwindigkeit dient Ihrer Sicherheit. Am besten wäre, Sie bitten eine kräftige Person, von hinten den Sattel zu fassen und - im Fall des (seltenen) Falles - das Rad festzuhalten. Das geht ohne Weiteres, da Sie ja nur in Schrittgeschwindigkeit fahren.

B.1.1. Bremsen Sie zuerst vorsichtig nur mit der HR-Bremse. Das ist ungefährlich, denn im schlimmsten Fall blockiert das Hinterrad und rutscht. Das hören und fühlen Sie. Lassen Sie die Bremse dann etwas lockerer.
Wiederholen Sie die Bremsversuche indem Sie fester bremsen. Dabei lernen Sie kennen, wie gut (oder schlecht) Ihre neuen Bremsen fassen.

B.1.2. Bremsen Sie jetzt auf gleiche Weise mit der VR-Bremse, zuerst vorsichtig und dann etwas fester. Ziehen Sie aber nie so fest, dass das Vorderrad blockiert.

B.1.3. Nun sollten Sie erproben, wie sich eine blockierende VR-Bremse anfühlt.
Ziehen Sie die VR-Bremse zunächst stufenweise fester und zum Schluss ruckartig an und lassen sie gleich wieder los. Dabei lernen Sie kennen, wie das Hinterrad leichter wird, evtl. sogar ein wenig hoch kommt. Dieses Gefühl kennen zu lernen ist sehr wichtig für Sie! Nur dadurch werden Sie - immer wenn dieses Gefühl auftritt - sofort die VR-Bremse loslassen können. (Ein nur Lockerlassen der VR-Bremse reicht nicht aus; denn Sie haben nicht genug Zeit, um Ihre Reaktion fein zu dosieren).

B.2. Üben bei normaler Geschwindigkeit (10 - 20 km/h)

B.2.1. Wiederholen Sie die Übung mit dem Hinterrad. Bremsen Sie immer gefühlvoll und vermeiden Sie ein Blockieren des Hinterrads. Falls es blockiert, genügt ein leichtes Nachlassen der Handkraft.

B.2.2. Wiederholen Sie die Übung mit dem Vorderrad. Bremsen Sie immer gefühlvoll und vermeiden Sie unter allen Umständen ein Blockieren des Vorderrads! Wenn Sie das oben geschilderte Gefühl haben, lassen Sie die VR-Bremse völlig los und beginnen Sie danach erneut mit dem Bremsen. Üben Sie nie(!) das Blockieren des Vorderrads bei einer Geschwindigkeit über 7 km/h.

B.2.3. Üben Sie nun das Bremsen mit VR- und HR-Bremse gleichzeitig. Lassen Sie ab und zu die VR-Bremse völlig los, um gerüstet zu sein, wenn wegen zu hoher Bremskraft am Vorderrad einmal das Hinterrad hoch kommen sollte.

Nun wünschen wir Ihnen eine gute Fahrt. Genießen Sie die Wirkung Ihrer guten, modernen Bremsen.


Sportliche (jugendliche) Fahrer, welche die Grenzen "moderner" Bremsen kennen lernen wollen, können noch die folgende Übung versuchen.

B.3. Üben im Grenzbereich (bei ca. 15 - 20 km/h im Gefälle;   nur für sportliche Fahrer!)

Diese Übung ist riskant! Sie können schon bei einem kleinen Fehler stürzen. Tragen Sie immer einen Radhelm, da dieser wenigstens Schädelverletzungen vermindert (aber nicht verhindert).
Und ... stützen Sie sich immer(!) gut am Lenker ab. Sonst laufen Sie Gefahr, wegen der guten Bremswirkung nach vorn zu rutschen und zu stürzen ==> B. Hinweis1!

Zuerst suchen Sie sich eine lange, verkehrsfreie Straße mit ca. 8 - 12% Gefälle. Nehmen Sie einen Beobachter und -- notfalls -- Helfer mit, der die Versuche mit Ihnen diskutiert.

B.3.1. Ziehen Sie die Hinterradbremse mittelstark und halten Sie die Bremskraft konstant!

B.3.2. Ziehen Sie die Vorderradbremse langsam immer stärker, bis das Hinterrad rutscht. Dann lockern Sie die VR-Bremse wieder leicht, bis das Hinterrad nicht mehr rutscht.
Auch wenn es das Hinterrad ist, das da rutscht, lassen Sie nur die VR-Bremse locker. Die Hand an der HR-Bremse wird nicht bewegt!

B.3.3. Wiederholen Sie die Übung mit schwächer gezogener Hinterradbremse.
Das Üben mit ganz offener Hinterradbremse ist nicht zu empfehlen, denn dann rutscht nichts mehr. Das Hinterrad kommt sofort hoch! Sie werden über den Lenker stürzen, außer Sie lassen die VR-Bremse sofort und ganz los.

Mit dieser Übung bekommen Sie ein ganz gutes Gefühl dafür, wieviel Bremskraft das Vorderrad "verträgt". Auf ein vornüber Kippen des Rads auf guter Straße oder ein seitliches Wegrutschen des Vorderrades auf schlechtem Untergrund müssen Sie aber immer vorbereitet sein!

(Vorschlag stba 08.12.02)

Hinweis: Diese Übung gründet sich auf die Gewichtsverlagerung nach vorn durch die Brems-Verzögerung ==> A.2. Bremsvermögen von HR- und VR-Bremse. Wird durch das Bremsen am VR das HR entlastet, so reicht die Reibung des HR auf dem Straßenbelag nicht mehr aus um die Bremskraft der HR-Bremse auf den Boden zu übertragen. Das entlastete HR rutscht; man hört und fühlt das. Wenn nur vorne gebremst wird, entfällt diese Warnung; es droht ein Sturz über den Lenker! Deshalb muss immer vorne und hinten gleichzeitig gebremst werden.

Anmerkung: Routinierte Radfahrer bremsen manchmal allein mit der VR-Bremse. Sie beherrschen das Abheben des HR durch feinfühliges Bremsen und durch das vor und zurück Verlagern des Körpers. Sie behaupten, dass dabei die höchst mögliche Bremsverzögerung erreicht wird. Das stimmt aber nur bedingt ==> 2.6.4.6. Ergebnisse!


Kontakt: Radtipps
Letzte Änderung: 15.02.06

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