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Radunfall

"Sturz über den Lenker" wegen blockierender Vorderradbremse /ABS


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Vorderrad-Anti-Blockier-System VR-ABS

Einleitung

Zitat (redaktionell wenig umgestellt) aus ==> zu 5.3.-2) Stellungnahmen, vollständig erschienen als Artikel "Ausgebremst?" von Hans-Christian Smolik in ==> Radmarkt 04/2002 S. 56-59.

Angesichts der sich in jüngster Zeit anbahnenden Elektronisierung des guten alten Drahtesels wahrlich eine große Versuchung... Doch es wird a) teuer und b) schwierig sein, für das Fahrrad ein betriebssicheres ABS zu entwickeln. Einerseits wären wahrscheinlich (wie beim Motorrad) hydraulische Bremsen Voraussetzung, andererseits müsste die Sache mit der Druckmodulation, in die konzeptionellen Überlegungen Eingang finden. Wie will man beispielsweise die dazu nötige Energie bevorraten und ein Fahrradleben lang ständig abrufbar bereithalten?
Ein positiver Lösungsansatz sind mechanische Antiblockiersysteme für das Vorderrad.

Geschichte

Im Jahre 1987 verkoppelten die Schüler Armin und Dietmar den Bremsausleger einer Hinterrad-Trommelbremse per Bowdenzug mit dem Bremsbetätigungsarm einer vorderen Trommelbremse und gewannen damit einen Preis bei "Jugend forscht".

Josef Jahn aus Nordhausen modifizierte 1992 das System für Cantileverbremsen. Das Jahnsche Vorderrad-ABS wurde sogar von der Firma Winora gebaut, dann aber mangels Nachfrage (höherer Verkaufspreis) wieder eingestellt. Auch die Firma Biria stellte 1994 ein mechanisches ABS auf der IFMA in Köln vor, bei dem nach dem gleichen Prinzip diesmal der Bremsarm einer Rücktrittbremse ausgelenkt wurde.

Funktion

Wird die hintere Bremse betätigt, schwenkt der Bremsausleger der Hinterrad-Bremse nach unten und betätigt damit einen zur Vorderrad-Bremse verlegten Bowdenzug.

  • Wird die Hinterradbremse zu kräftig gezogen, erfolgt eine Gewichtsverlagerung nach vorn.
  • Zwischen Reifen und Fahrbahn entsteht ein Schlupf bzw. das Hinterrad rutscht kurzzeitig durch.
  • Der Bremsausleger wird weniger kräftig ausgelenkt - womit sich auch die per Bowdenzug auf die Vorderradbremse einwirkende Betätigungskraft reduziert.
  • Bleibt der Bremshebel weiterhin kräftig gezogen, nimmt die Bremswirkung der Hinterradbremse und somit auch die der Vorderradbremse wieder zu...

Das System besitzt bereits den typischen Stotter-Brems-Charakter eines ABS, wobei es nur zum kurzzeitigen Blockieren des Hinterrades, nicht aber des Vorderrades kommen kann.

Josef Jahn aus Nordhausen modifizierte 1992 das System für Cantileverbremsen. Dabei fixierte er die Hinterradfelgenbremse auf eine in Nähe der Hinterradachse gelagerte Schwinge. Durch die Reibung zwischen Felge und Bremsgummis wird die Schwinge in Radumdrehungsrichtung ausgelenkt. Mit einem Hebelverhältnis von 3:1 betätigt die Schwinge dann einen zur Vorderradbremse laufenden Bowdenzug.
 
Einfügung: Bei Bremsversuchen erreichte Jahn auf einer Teerstraße aus 20 km/h einen Bremsweg von 3,10 m bei 15 Stotterbremsungen. Daraus errechnet sich eine Bremsverzögerung von 5,0 m/s^2. Das entspricht recht genau dem Standardfall L-Nr. 5 (Durchschnittsradler) mit errechneten maximalen 5,1 m/s^2 ==> 2.4.3.1. Diagramm.
 

Die Vorteile dieser mechanischen Variationen für das Fahrrad:

  • Zum Regeln ist keine Fremdenergie nötig, das System bedient sich der beim Bremsen entstehenden Reibungskraft der Hinterradbremse.
  • Das System funktioniert bei unterschiedlichsten Pilotengewichten und bei unterschiedlichsten Sitzpositionen, da jeweils beim schlupfenden/abhebenden Hinterrad die Bremskraft auf die Vorderradbremse nachlässt und somit ein Überbremsen des Vorderrades vermieden wird.
  • Das System funktioniert auch bei Nässe und sogar bei Schneematsch und Eis, weil hier das Hinterrad früher durchrutscht und mithin die Vorderradbremse entsprechend sanft betätigt wird.
  ABSskizze
Bild: Skizze des VR-ABS

ABShr
Bild: ABS am Hinterrad

ABSvr
Bild: ABS am Vorderrad

Was das mechanische ABS nicht kann: Das Blockieren des Hinterrades zu unterbinden. Voll durchgezogen blockiert das Hinterrad und kann natürlich auch aus der Spur ausbrechen. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass selbst nicht trainierte Radler dies im gewissen Maße aussteuern können, ein ausbrechendes Vorderrad hingegen nur ganz gewiefte.

Erste Artikel zum Thema:

"Auf Nummer sicher" von Ch. Smolik, tour 8/93.
"Test: ABS-Systeme von Winora und Magura" von J. Engelsing, bike 11-12/93.
"Blockierverhinderer", Drahtesel 11/93.

Nachtrag: 2004 bot ==> Biria wieder ein VR-ABS an.
Einen ersten Kurztest finden Sie in ==> aktiv Radfahren 11-12/ 2003, Seite 12-13 "ABS und weitere Innovationen".

Das Ergebnis lautet kurz gefasst so:
Das VR-ABS von Biria arbeitet mit einer Nabenbremse am Hinterrad (Rücktritt, Trommelbremse oder Shimano RollerBrake) und mit einer Felgenbremse am Vorderrad. Es wird demnach mehr im Stadtrad bzw. im einfachen Ausflugsrad eingesetzt.
Die Drehmomentstütze für die HR-Bremse wirkt auf eine Hebelage, die dann einen Bowdenzug zur VR-Bremse betätigt. So werden beide Bremsen benützt. Aber nur bei sehr starkem Bremsen kann der weiter oben beschriebene Stottereffekt auftreten. Die Auslegung ist also etwas weich und dient vor allem für notorische Vorne-Nicht- oder -nur-leicht-Bremser ==> 1.0. Unfallberichte.
Der Bremsweg aus 33 km/h verringert sich von 19,4 auf 12,9 m. Die Bremswirkung bei alleiniger Betätigung der HR-Bremse steigt durch die Mitwirkung der VR-Bremse in der Praxis nur um 50%. Der Aufpreis soll € 25,-- betragen.

Mein Fazit: Biria will offensichtlich den schwächeren Fahrern/innen eine verbesserte Bremswirkung bieten, sie aber nicht mit den möglichen hohen Verzögerungen moderner Bremsen erschrecken. Das halte ich für einen klugen Ansatz!
Allerdings erfüllt die Bremsverzögerung mit 2,2 m/s^2 für das HR und 3,3 m/s^2 für HR+VR nur knapp die DIN 79100-2. Sie sollte noch erhöht werden!


Kontakt: Radtipps
Letzte Änderung: 15.02.06

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