home Radkauf Technik Licht Radeln Bremsunfall Info-Links Tour-Links   WB d-efi

zurück home weiter
  ruLogo

Radunfall

"Sturz über den Lenker" wegen blockierender Vorderradbremse /06

6. Produkt- und Produzentenhaftung: Was sagt das Gesetz?

Motto: Es kann doch nicht wahr sein, dass die Hersteller Bremsen auf den Markt bringen,
           die Unfälle verhindern sollen -- und dann selbst einen erzeugen!


0. Zusf 1. UnfB 2. Ph_a 2. Ph_b 3. V V 4. Tip_a 4. Tip_b 5. StNa 6. §§ 7. € 8. Vers 9. FAQ

 Synopse     ohne Java:  Synopse 

Inhaltsverzeichnis dieser Seite:
==> 6.1. Fragestellung
==> 6.2. Haftung des Herstellers (Produkthaftungsgesetz)
==> 6.3. Haftung des Herstellers (Produzentenhaftung)
==> 6.4. Kostenrisiko
==> 6.5. Strafrechtliche Konsequenzen für den Hersteller
==> 6.6. Produktbeobachtungspflicht
==> 6.7. Haftungsausschluss
==> nach unten

==> Inhalt "Bremsunfall"

==> home: Radtipps

6.1. Fragestellung

Nachdem ein Fahrradfahrer ohne Fremdeinwirkung allein durch das Betätigen der Bremsen "über den Lenker gestürzt" ist, wird sich für ihn wohl unter anderem folgende Frage stellen: Muß der Fahrradhersteller für Sachschaden, Heilbehandlungskosten, Schmerzensgeld, etc. aufkommen?

6.2. Haftung des Herstellers nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)

Nach dem ProdHaftG haftet ein Hersteller für Folgeschäden, die durch die Fehlerhaftigkeit seines Produktes entstehen. Hierbei ist als Produkt jede bewegliche Sache anzusehen, auch wenn sie "nur" Teil einer anderen Sache ist. In Abhängigkeit von dem technischen Zusammenwirken der verschiedenen Komponenten kann sowohl das Fahrrad, als auch die (Vorderrad-)Bremse als eigenständiger Teil des Fahrrades Produkt im Sinne des ProdHaftG sein.

6.2.1. Voraussetzungen der Haftung nach ProdHaftG

Eine Besonderheit des ProdHaftG liegt darin, daß hier - im Gegensatz zum allgemeinen Deliktsrecht - eine Gefährdungshaftung statuiert wird. Die Haftung und damit Schadensersatzpflicht des Herstellers tritt also unabhängig davon ein, ob diesen ein Verschulden an der Fehlerhaftigkeit des Produkts trifft oder nicht. Dennoch ist es - wie im Deliktsrecht üblich - Aufgabe des Anspruchstellers, den Fehler, den Schaden und den ursächlichen Zusammenhang zwischen beidem im Prozeß zu beweisen. Nur wenn dies gelingt, können Schadensersatzansprüche erfolgreich durchgesetzt werden.

Die größten Schwierigkeiten bereitet in der Regel der Nachweis des Fehlers. Durch zahlreiche Rechtsprechung hat sich die Unterscheidung dreier Fehlerkategorien durchgesetzt. Ein Konstruktionsfehler liegt vor, wenn ein Fehler in der technischen Konzeption vorliegt. Dieser haftet regelmäßig der ganzen Serie an. Im Gegensatz hierzu steht der Fabrikationsfehler, der während der Herstellung an einzelnen Stücken (sog. Ausreißer) entsteht. Ein Instruktionsfehler schließlich liegt vor, wenn es an einer ausreichenden Warnung vor gefahrbringenden Eigenschaften, die in der Wesensart der Sache begründet sind, fehlt. Wie die gesetzliche Definition des Begriffs "Fehler" in § 3 Abs. 1 ProdHaftG (Zitat)

Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere
a) seiner Darbietung,
b) des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann,
c) des Zeitpunktes, in dem es in den Verkehr gebracht wurde,
berechtigterweise erwartet werden kann.

zeigt, ist bei der Frage nach der Fehlerhaftigkeit bzw. Fehlerfreiheit eines Produkts auf die objektiv zu beurteilende berechtigte Erwartung des Käufers unter Berücksichtigung aller Umstände abzustellen. Auf Grund dieses schwer zu greifenden Maßstabes lassen sich die Erfolgsaussichten einer Schadensersatzklage des Geschädigten gegen den Hersteller im Einzelfall nur schwerlich vorhersagen.

6.2.2. Umfang der Haftung nach ProdHaftG

Für Personenschäden beträgt der Haftungshöchstbetrag gemäß § 10 ProdHaftG € 85 Millionen. Allerdings gibt es auf Grundlage des ProdHaftG kein Schmerzensgeld. Gemäß § 11 ProdHaftG hat der Geschädigte einen Sachschaden bis zu einer Höhe von € 500 selbst zu tragen. Bei höheren Schäden ist der Schadensersatzanspruch um diese "Selbstbeteiligung" von € 500 zu kürzen.

6.3. Haftung des Herstellers aus §§ 823 ff BGB (Produzentenhaftung)

Der Vorteil der Produzentenhaftung gegenüber der Produkthaftung besteht für den Geschädigten darin, daß er auch Schmerzensgeld verlangen kann und daß bei Sachschäden die "Selbstbeteiligung" entfällt. Nachteilig für den Geschädigten ist, daß der Hersteller nur haftet, wenn er die Fehlerhaftigkeit des Produkts verschuldet hat. Trotz der von der Rechtsprechung zugunsten des Geschädigten entwickelten Beweislastregeln ist der Anspruch also schwerer durchzusetzen, als nach dem ProdHaftG.

Das Kernproblem liegt jedoch auch bei der Produzentenhaftung darin, daß der Geschädigte die Fehlerhaftigkeit des Produktes beweisen muß. Insoweit gelten die obigen Ausführungen ==> 6.2.1. auch hier.

oben

6.4. Kostenrisiko

Im Zivilprozeß trägt grundsätzlich die unterliegende Partei die Gesamtkosten des Rechtsstreits. Dies sind insbesondere die Gerichtskosten, die Honorare für die Tätigkeit des eigenen und des gegnerischen Rechtsanwaltes sowie die Vergütung von Sachverständigen.

Die Beurteilung der Frage, ob ein Fehler vorliegt, erfordert in aller Regel eine umfangreiche technische Untersuchung durch Spezialisten. Die Gerichte sind daher meist gezwungen, Sachverständige*) mit der Erstellung eines Gutachtens zu beauftragen. Hierdurch entstehen erhebliche Kosten, die von Fall zu Fall stark variieren.

Wird beispielsweise um eine Schadensersatzforderung von € 2.000 gestritten, können sich die Gesamtkosten des Rechtsstreits allein in der ersten Instanz zu einem Betrag in selber Größenordnung summieren.

6.5. Strafrechtliche Konsequenzen für den Hersteller

Die Hersteller werden in aller Regel eine juristische Person (z.B.: AG, GmbH) sein. Eine Bestrafung (etwa wegen fahrlässiger Körperverletzung) kommt aber immer nur bei natürlichen Personen - also Menschen - in Betracht. Strafrechtliche Konsequenzen können sich - abgesehen von weiteren Voraussetzungen - also von vorn herein nur dann ergeben, wenn einer ganz genau bestimmten Person bzw. Personenmehrheit ein Verschulden bewiesen werden kann, das letzten Endes für den Sturz über den Lenker ursächlich war.

6.6. Produktbeobachtungspflicht/ Schlußwort

Festzuhalten ist abschließend, daß das Produkt hinsichtlich Konstruktion, Fabrikation und Instruktion ab dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen muß.

Ab dem Inverkehrbringen hat der Hersteller seine und solche fremde Produkte, die als Zubehör für die eigenen Erzeugnisse in Betracht kommen, auf noch unbekannt gebliebene schädliche Eigenschaften und sonstige eine Gefahrenlage schaffende Verwendungsfolgen zu beobachten und zwar auch unter Beachtung von Fachzeitschriften, sonstiger Literatur und der Produktentwicklung seiner wichtigsten Mitbewerber (vgl. Palandt-Thomas § 823 BGB Rz 208 mit Hinweis auf BGH-Rspr.).

In diesem Sinne hofft der Ersteller dieser umfangreichen Internetseiten zum "Radunfall", auf Verbesserungen bei Fahrrädern und deren Bremsen. Schon um der Vermeidung der eigenen Haftung wegen werden die Hersteller sich der Thematik wohl nicht gänzlich verschließen können.

6.7. Haftungsausschluss

Die obige Darstellung soll dazu dienen, dem juristisch interessierten Laien einen ersten Grobüberblick zum Thema Produkthaftung und Produzentenhaftung zu verschaffen. Sie kann die individuelle Rechtsberatung im konkreten Einzelfall selbstverständlich nicht ersetzen. Die Informationen wurden sorgfältig recherchiert. Für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Ausführungen wird keinerlei Haftung übernommen.

Andreas Praml, Rechtsanwalt

Anmerkung: Nach einem - noch zu führenden - Musterprozess könnte die Sachlage jedoch eindeutiger werden ==> zu 5.3.-2) Stellungnahme.

Weitere Informationen finden Sie bei ==> Allg. dt. Fahrrad Club ADFC und bei ==>  <www.velotech.de>.

*) Adressen von Sachverständigen finden Sie bei der ==> Industrie- und Handels-Kammer IHK/ Zum Verzeichnis/ Stichwort: Fahrrad oder bei ==> <www.phiger.com/bernd>.


Kontakt: Radtipps
Letzte Änderung: 18.04.10

oben   zurück home weiter